Mittwoch, 30. September 2020

Eine Radtour am Main, 3. Tag: von Wipfeld nach Würzburg

Die Oropax habe ich zu Hause vergessen. Ist mir die Nacht aufgefallen. Nun gut, das Frühstück war hervorragend - es gab selbstgemachte Marmelade zum Frühstück. Rotweingelee und Quittenkonfitüre - ein Gedicht! Auf das Einhalten der Hygienevorschriften achtete Frau Schunter vom Gasthof Zehntgraf: keine Selbstbedienung am Frühstücksbuffet! Abstand zwischen den Tischen und den Gästen, Händedesinfektion vor Betreten des Frühstücksraums, selbstverständlich Masken vom Verlassen des Zimmers bis zum Tisch, etc... Ich äußerte meine Wünsche und bekam alles von ihr an meinen Platz gebracht. Wegen dem Virus lassen die Wirtsleute den Biergarten in dieser Saison geschlossen. Es sei zu aufwändig!

Mit den zwei Herren, die am Nebentisch frühstückten, kam ich ins Gespräch. Sie waren ebenfalls mit dem Rad unterwegs. Gestern waren sie  von Bamberg gestartet, heute wollten sie nach Veitshöchstheim. Dort hatten sie die nächste Übernachtung gebucht. Ja, es seien ungefähr 80 km, mehr sei nicht mehr drin. Schliesslich seien sie beide fast achtzig - meine Hochachtung! Sie gaben mir noch den Rat, frühzeitig eine Unterkunft zu suchen, es sei ziemlich viel Betrieb auf dem Mainradweg. Dann zogen sie von dannen...

Ich frühstückte noch zu Ende, packte wieder mein Rädchen und entdeckte beim Verlassen des Gasthauses am Horizont einen Ballon am Himmel - ein schönes Bild!

Der Punkt zwischen den Wolken - kein Pixelfehler

Mit der Fähre ging es über den Main. Bis Volkach sind es 12 km, hoffentlich hat die Fahrrad-Werkstatt geöffnet und kann mir helfen!

Allein auf der Fähre

Ich radele an Weinreben vorbei. Die Ernte hat hier begonnen. Es sind keine Steilhänge wie an der Mosel, hier können zusätzlich Maschinen eingesetzt werden. Einen kurzen Moment sehe ich zu, bevor ich weiter fahre. 

Die Fähre Fahr ist auch schon in Betrieb:
Vorbei am Elgersheimer Hof (die Anlage stammt aus dem 11. Jh!) führt der gut ausgebaute Radweg. Trotzdem halte ich immer wieder an, es gibt soviel Interessantes zu entdecken!
Agathe und Kollegin!
Weinreben - jede Menge

Der Main fliesst weiterhin ruhig dahin. Vorbei an der Wallfahrtskirche "Maria im Weingarten" erreiche ich Volkach.



Zweirad Weissenseel

Ein freundlicher Jogger erklärt mir, wie ich zur Fahrrad-Werkstatt komme. Dort bin ich scheinbar früh genug - nein, ich habe keinen Knick in der Optik, das Vorderrad eiert. Ja, selbstverständlich wird sich darum gekümmert! Keine Stunde später kann ich bezahlen, mein Fahrrad wieder beladen und glücklich über die Hilfsbereitschaft weiter reisen!

Eine Besichtigung von Volkach verschiebe ich auf "irgendwann", noch habe ich kein Bett und will weiter! Inzwischen ist es warm geworden und es ziehen Scharen von Radlern jeden Alters und Geschlechts den Main-Radweg entlang. Deshalb wähle ich den Weg am Main-Kanal. 


Hier begegne ich zum ersten Mal einem Schiff welches ich bis zur Schleuse Himmelstadt immer wieder treffen werde 😀. Kurz vor Schwarzach mündet der Main-Kanal wieder in den Main. Ich nehme die Gelegenheit wahr und besichtige die Abtei Münsterschwarzach.

Derzeit bekanntester Benediktiner der Abtei ist wohl Pater Anselm Grün.

Die Decke erinnert mich an die Konstantin-Basilika in Trier

Die Abtei bestimmt das Leben und den Rhythmus im Ort. Vor der Klosterbäckerei und -metzgerei stehen die Menschen in langen Schlangen, um dort einzukaufen. Ich bin einerseits froh, dass ich mit dem Rad unterwegs bin - so brauche ich mich nicht anstellen und einkaufen. Andererseits finde ich das Angebot verlockend!

Weiter geht die Fahrt - mein nächstes Ziel heißt Kitzingen. Spätestens dort will ich Pause machen und gucken, dass ich für die Nacht ein Zimmer bekomme. Vielleicht in Marktfeld? Ochsenfurt wäre auch eine Option!

Dettelbach
Kurz nachdem ich das Bild von Dettelbach geknipst hatte, kam ich zu einem Unfall. Eine ältere Radfahrerin wurde auf einem engeren Stück des vielbefahrenen Radweges von einem Rowdy-Radfahrer touchiert. Beide stürzten. Ich kam hinzu, als der Unfallverursacher aufstand, sein Rad nahm und weiter radelte. Die ältere Dame war total erschrocken, gebrochen hatte sie anscheinend nichts, aber einige Schürfwunden an beiden Händen und vor allem am rechten Ellenbogen. 

Falls sich nochmal jemand wundert, warum ich so schweres Gepäck mitschleppe: selbstverständlich gehört Verbandmaterial zu meiner Ausrüstung! Also konnte ich die Dame verbinden und bat sie, sich in ärztliche (chirurgische!) Versorgung zu begeben, was sie mir zusagte bevor sich unsere Wege wieder trennten.

Zur Mittagszeit erreichte ich Kitzingen.

Marktbrunnen in Kitzingen
Der Marktturm

Es herrschte viel Betrieb in der Fußgängerzone, jetzt zur Mittagszeit waren die besten Plätze besetzt - die anderen waren wegen Corona-Abstandsregeln gesperrt. Ich schob mein Rad weiter über die Markstrasse und kam zu einem Eiscafe in einer Seitenstrasse. Dort gab es nicht nur Platz, sondern auch ein Bananen-Split und Espresso.

Leider ergeben meine Telefonate keine Möglichkeit zu übernachten. Also setze ich mich auf mein Rädchen und fahre erst mal weiter. Es ist warm und trocken, es wird sich schon etwas finden!
Auf der Pipinbrücke

In Marktsteft halte ich kurz am ältesten Hafen Bayerns und am Kärrner-Denkmal.

Ältester Hafen Bayerns
Bereits 1711 wurde mit den Ausschachtungen für den Hafen begonnen. 1726 wurde aus dem Dorf ein Marktflecken und entwickelte sich in den folgenden Jahrhunderten zu einem Zentrum der Industrie und des Handels.
Kärrner-Denkmal

Im 19. Jahrhundert war die Stadt Marktsteft eines der größten Obstanbaugebiete Deutschlands. Von hier aus zogen die Schub-Kärrner mit ihrem Obst nach Würzburg, Nürnberg, Ansbach... Wochenlang waren sie zu Mehreren unterwegs und belieferten zuverlässig die Märkte. 

Vorbei an Frickhausen erreiche ich Ochsenfurt und sehe die Ursache, warum ich hier heute bislang kein Bett bekommen habe: nicht nur, dass gefühlt 1000 Radfahrer unterwegs sind, an diesem Wochenende findet auf den Mainwiesen eine Hundemesse statt und nicht alle sind mit dem Wohnmobil angereist!

Erinnerungen an Rothenburg o. d. Tauber

Oberes Tor in Ochsenfurt

Von hier aus sind es noch 20 km bis Würzburg. Dort gibt es auf meine telefonische Nachfrage in der Jugendherberge ein Bett - ich nehme es! Theoretisch könnte ich mit dem Zug fahren, aber es ist nicht mehr so weit. Mit viel Selbstmotivation "Du schaffst das!" radele ich weiter. Vorbei an Rebenhängen und Streuobstwiesen. 

Eine Wohltat!


In Eibelstadt habe ich die Gelegenheit, nochmal in den Main zu gehen - das tut gut, weil ich so langsam keine Lust mehr habe. Mir ist heiß, ich bin naß geschwitzt, das Gesäß schmerzt und: ich finde kein Cafe! Dafür jede Menge junge Leute, die alleine oder in Gruppen der Selbstoptimierung frönen😏.  Witzig finde ich "Probierbäume", die per Aushang zum Kosten einladen:

gefunden in Randersacker

Ein schönes Motiv!

An der Schleuse in Randersacker sehe ich das Schiff, was ich heute immer wieder traf, zum letzten Mal.

Endlich - Würzburg in Sicht!

Auf dem Sebastian-Kneipp-Steg

In der Jugendherberge bekomme ich ein Bett im 6-Bett-Zimmer, es ist dasselbe, was ich auf meiner Altmühltour schon mit mehreren geteilt habe! Dank Corona bleibe ich dieses Mal alleine und dusche erst einmal. Dann gehe ich nach Würzburg. Selbstverständlich über die alte Mainbrücke!

Hl. Bruno mit Maske

Einige der Sandsteinfiguren, die auf der alten Mainbrücke stehen, tragen MNS mit unterschiedlichen Motivations-Sprüchen. Am Wochenende ist Alkoholverbot auf der alten Mainbrücke. Schade, ich hatte mich schon auf einen Schoppen mit Blick auf die Festung Marienberg gefreut!

Festung Marienberg hoch oben 


Gehe ich eben weiter und esse im Schatten der Marienkapelle eine Kleinigkeit. Die beiden Damen am Nebentisch treffe ich kurz darauf in der Jugendherberge wieder. Sie sind an der Rotmainquelle gestartet und haben heute ihr Ziel erreicht, morgen reisen sie nach Hause. Wir tauschen noch unsere Erfahrungen aus, bevor ich fix und fertig ins Bett gehe.

Sportlich war der Weg heute keine Herausforderung, gut ausgebaut, immer am Main entlang, keine Ausflüge in die Weinhänge, keine Anstiege, gute Ausschilderung - so kommen über 70 km zusammen, die ich heute geradelt bin. Das reicht mir auch!

 

Samstag, 26. September 2020

Eine Radtour am Main, 2. Tag: von Zeil a. M. nach Wipfeld

Wenig geschlafen, in fremden Betten gehört das eben zu einer Reise dazu. Das Frühstück war reichhaltig und so gestärkt packte ich mein Rädchen und machte mich auf den Weg. 

Da war doch noch etwas?

OT: So schön die Geste auch ist - satt werden oder Miete bezahlen kann frau von diesen Gesten nicht. Und die Bonuszahlung des Bundes bekommt auch nicht jede Pflegekraft. Sondern nur die, die mit Covid-19-Patienten zu tun hatten. Auf Antrag des Arbeitgebers. 100.000€ hat der Bund zur Verfügung gestellt. Es gibt ca. 440.000 Pflegekräfte in Krankenhäusern. Deshalb strampele ich ganz feste in die Pedale, damit mein Frust sich dadurch verliert - schließlich habe ich Urlaub!

Mein erstes Ziel heißt Haßfurt, der Weg ist gut ausgeschildert. Am Ortseingang fällt mir eine Kirche ins Auge. Es ist die Wallfahrtskirche Hl. Jungfrau Maria mit der Ritterkapelle.

Eingang 

Der Altar
1431 wurde der Grundstein gelegt, einige Renovierungen hat sie schon erlebt - ich fand sie sehenswert!

Die Hauptstrasse bzw. der Radweg führt durch die Altstadt von Haßfurt. Am Anfang und am Ende steht jeweils ein Turm, der Obere Turm ("Bamberger Tor"), am anderen Ende der Untere Turm ("Würzburger Tor"). 

Bambrger Tor

Vor einer Bäckei

Das Spielzeug-Auto sah ich zum ersten Mal life im Einsatz, der Junior fuhr neben seinem Vater her, parkte ein und ging dann mit seinem Vater Brötchen holen.

Am Mainufer

Sobald ich aus Haßfurt heraus war ist wieder der Main, der ruhig dahin fließt. Als ich bei der Tafel (unten) ankam, stutzte ich: bis Horhausen 6,5 km? Eine Alternativroute führt über das kleine Dorf. Ich bleibe am Mainufer.

Horhausen - einfach dem gelben Pfeil folgen...

Kurze Zeit später fand ich bei Schonungen ein Pausenplätzchen. Bänke gibt es in ausreichender Anzahl in der Nähe von Dörfern und Städten. Mittlerweile war mir warm geworden, ich zippte meine Hosenbeine ab und packte mein zweites Frühstück aus. Während ich da saß, kam eine alte Dame mit Nordic-Walking-Stöcken zielstrebig auf die Bank zu - ob sie Platz nehmen dürfte? Selbstverständlich! Sie setzte sich an das andere Ende der Bank und erzählte, dass sie jeden Tag zu der Bank geht. 30 Minuten hin, Pause, 30 Minuten zurück; früher sei sie viel gewandert, aber jetzt mit Ü80 ginge das nicht mehr. Das Alter sah ich der Dame nicht an - sie war noch sehr rüstig und lebendig. Wir unterhielten uns noch eine Weile, sie erzählte von ihren Kindern und ein wenig aus ihrem Leben, bis sich unsere Wege trennten.

So ein schöner Radweg!

Beim Radeln hatte ich den Eindruck, dass mein Vorderreifen eiert. Das bereitete mir doch Sorgen. 

Aussicht nach Steinfurt

Also suchte ich nach meiner Ankunft in Steinfurt die Touristen-Information auf und fragte nach einer Fahrrad-Werkstatt. Die Dame gab mir entsprechend Auskunft - ich musste erst durch die Fußgängerzone, dort sei eine Werkstatt.

Bananen-Split und Espresso

Wie praktisch! Auf meinem Weg befindet sich ein Eiscafe! Es ist mittlerweile Zeit für ein Eis und einen Kaffee - beides bekomme ich und geniesse erst mal! 

Die Dame in der Werkstatt hat keinerlei Kapazitäten, nein, sie könne mir nicht weiter helfen, auch nicht gucken😕. Die nächste Werkstatt sei in Bergrheinfeld. Ich radelte also weiter- und stellte in Bergrheinfeld fest, dass die Werkstatt diese Woche Urlaub hat 😦... 

Bergrheinfeld

In dem Ort könnte ich auch nach Hammelburg abbiegen - von dort ist es nicht weit nach Bad Kissingen... Gedankenspielereien. Mein mobiles Internet teilte mir mit, dass nun die nächste Werkstatt in Volkach sei. Hrmpf! 😒 Ich kann es nicht ändern und fahre weiter - am AKW Grafenrheinfeld vorbei -

Blick auf das AKW
Weinberg vor Wipfeld

auf gut ausgebauten Radwegen. Bis ich in Wipfeld ankomme. Die letzten Kilometer fand mein Gesäß doch ein wenig anstrengend. Also beschliesse ich, für heute nach fast 50 km Feierabend zu machen. Für das Wochenende sei bis über Volkach hinaus alles ausgebucht - aber ich bekomme im "Zehntgraf" das letzte freie Bett und freue mich über die Dusche! 

Erfrischt unternehme ich anschliessend einen Spaziergang durch Wipfeld. Am Mainufer stehen Hinweistafeln, dort finde ich auch einen "Celtis-Rundweg" beschrieben. Benannt wurde er nach dem Dichter Conrad Celtis (1459-1508) und führt durch das Dorf. 

Der Weg ist sehr spannend gestaltet - es geht Treppauf zur Kirche und zum historischen Weinberg, 


Was für eine Aussicht!

weiter quer durch die Gassen wieder Treppab, vorbei an alten, restaurierten Häusern. Viele tragen Hinweisschilder, auf denen die Besonderheiten beschrieben werden.
Geburtshaus, Baustil, Verwendung  -

es lohnt sich, diesen Rundweg zu gehen! Ich finde es erstaunlich, wieviele Häuser in dem 500-Seelen-Dorf die vergangenen Jahrhunderte überstanden haben und wie unterschiedlich die Baustile sind.

Hier wache ich!


Geschäfte des täglichen Bedarfs - hier wird es eng. Ich finde einen Bäcker, ein Wollgeschäft und einen Friseur. Die Sparkasse baut - wie auf dem Zettel dort steht - den Geldautomaten zum 30. September 2020 ab. Wird Wipfeld eine Schlafstatt?

Ich bin auf alle Fälle gespannt, was mich morgen erwartet!