Donnerstag, 7. Juli 2022

Emsradweg - der dritte Tag

Gestern kam ich in Telgte an und habe in dem Hotel Marienlinde gut geschlafen. Die Sonne begrüßt mich und ich starte in einen neuen Tag!

Zunächst geniesse ich das Frühstück! Das Angebot ist phänomenal! Auf Wunsch erhalte ich ein Spiegelei, dazu wird Räucherlachs angeboten. Verschiedene Brot- und Brötchensorten, Käse, Aufschnitt, verschiedene Sorten Konfitüre, Müsli - die Auswahl fällt schwer! 

So gestärkt sehe ich mich in dem Wallfahrtsort Telgte um. Sehr katholisch. Ich will die Gnadenkapelle besichtigen und gerate in den morgendlichen Gottesdienst. Den Segen nehme ich gerne mit!

Propsteikirche St. Clemens
Die Pietà "Schmerzhafte Mutter"
Die Gnadenkapelle ist einen Besuch wert - seit dem 15. Jahrhundert wird die aus Pappelholz geschnitzte Pietà nicht nur während der Telgter Wallfahrt verehrt.
Gnadenkapelle

Der Ort selber hat ein lebendig wirkendes Zentrum. Ich sehe auf meinem Weg Geschäfte für den täglichen Bedarf, viele scheinen Inhabergeführt zu sein. Im Zentrum finde ich allein drei Fahrradgeschäfte mit Werkstatt!

Auf dem Marktplatz in Telgte

Nur zögernd mache ich mich auf den Emsradweg, hier gibt es sicherlich noch viel mehr zu entdecken! Aber auch an dem Ems gibt es immer wieder schöne Ausblicke!

Kanalisiert
Renaturiertes Stück
Jede Menge Landschaft durchradele ich, immer wieder begegne ich Kutschen, die von Pferden gezogen werden - ob sie schon für die Kutschenwallfahrt an Christi Himmelfahrt üben?


Fuestrup
In Fuestrup ist eine Umleitung des Radweges ausgeschildert, mich lockt zunächst ein Besuch im Yachthafen. 
Im Yachthafen
"Dover" und "Calais", dazwischen die Hafeneinfahrt

Es gibt eine kleine Fähre zwischen "Dover" und "Calais", auf dem Schild stehen ganz klar die Regeln. Danach ist das Benutzen der Fähre nur den Hafenliegern gestattet. Das Radfahren auf der Steganlage ist verboten...  Auf dem Rückweg komme ich an dem Straußengehege vorbei. Der Vogel macht einen interessierten Eindruck, zumindest kommt er an den Zaun, als ich mich nähere 😊.

Vogel Strauß

Der alte Dortmund-Ems-Kanal
Der alte Kanal ist mittlerweile Regenrückhaltebecken und Rückzugsort für seltene Flora und Fauna.
auf dem Weg zum Biotop
Dortmund-Ems-Kanal

Das Schiff baggert die Ems bzw. den Schifffahrtsweg aus und ich gucke eine Zeitlang zu, wie große Mengen Sand bewegt werden.

Mein Hobby: anderen bei der Arbeit zusehen
Manchmal ist auch der Blick zurück interessant: hinter dem Schiff der alte Kanal (rechts), links der neue Kanal:

Links bin ich geradelt

Auf der Brücke
Die Brücke über den Kanal ist nur für Fußgänger und Radfahrer ("Bitte absteigen und schieben") zugänglich, der Rest ist Baustelle. Ich begegne einem Herrn, der seinen Hund Gassi führt. Er berichtet, dass er früher täglich (!) nach Münster geradelt sei. Allerdings nur bei schönem Wetter. Wir plaudern ein wenig, bevor sich unsere Wege trennen.

Mir war nach Erdbeeren als Wegzehrung und ich hoffte, in diesem Hofladen welche erwerben zu können. Er war liebevoll eingerichtet und hat eine große Auswahl - nur Erdbeeren waren an diesem Tag noch nicht im Angebot😒.

Mein Weg führt über Gimbte nach Greven, wo die Ems wieder renaturiert wird. Ein größeres Projekt, was noch nicht fertig ist, aber sicherlich ein neuer Anziehungspunkt für Erholungsuchende wird!
Emsauen Neugestaltung
Zwei radfahrende Pärchen sprechen mich an dieser Stelle an, ob sie mir helfen könnten. Teilweise waren sie mit E-Bikes unterwegs und waren aus Emsdetten hierher geradelt, um einen Kaffee zu trinken. Übereinstimmend teilten wir die Meinung, dass Radfahren Freude machen kann!
Bis Münster 17km
Mein Weg führte durch Greven zu den Wentruper Bergen. Unterwegs kam ich an dieser Coffee-to-go Station vorbei - eine schöne Idee! Der Himmel zog sich immer mehr zu, deshalb machte ich noch keine Pause. Von Greven bis Emsdetten sind es ca. 19km, dann bin ich am heutigen Ziel. Ich würde es gerne trocken erreichen!
Eine Kaffeestation
Immer wieder halte ich an, weil ich interessante Dinge sehe! Der Sachsenhof ist eine Freilichtmuseum, in der sich Besucher (Schulklassen) über die Geschichte und das Leben der Sachsen (ca. 6.-8. Jh. n. Ch.) informieren können. Es gibt immer wieder Aktionstage über verschiedene Themen, von Holzbearbeitung über Lebensmittelherstellung bzw. Konservierung, etc.

Sachsenhof

In Hembergen ist die Wegbezeichnung nicht wirklich eindeutig. Der Emsradweg führt nach links, Emsdetten ist nach rechts ausgeschildert😕 Erst mal die Regenkleidung wieder heraus geholt...

Verwirrende Wegbeschreibung! Lieb's. Nicht.
Sechs Kutschen mit Pferden - ein schönes Bild!
Man beachte den Zustand des Radweges!

Vor Emsdetten gibt es wieder schöne Aussichtspunkte an der Ems! So langsam habe ich keine Lust mehr - mein Gesäß möchte gerne andere Sitzgelegenheiten ausprobieren und bekommt auch Gelegenheit dazu. Mitten im Wald steht eine Hütte mit Reetdach am Wegesrand -

Ideal für die fünf-Minuten-Pause!
Naturschutzgebiet Emsaue

Ich radele durch das Naturschutzgebiet Emsaue, es hat aufgeklart und ich ziehe die Regenkleidung wieder aus. Eine Bank in Schiffsform lädt zur Entspannung im Sonnenschein ein!

das obligatorische Selfie
Aussicht von der Bugspitze
Endlich bin ich in Emsdetten! Die Gaststätte, in der ich heute das Zimmer gebucht habe, ist noch geschlossen, auf Klingeln, Klopfen und Rufen regt sich nichts. Also unternehme ich mit dem Rad eine Runde durch die Innenstadt von Emsdetten.
Der Wannenschieber









Was mir nicht mehr bewußt war, ist der Amoklauf eines 18-jährigen, der 2006 fünf Menschen in einer Schule erschoß. Warum nur? Was für eine Verschwendung von Leben! Die Nachrichten, die mich aus der Ukraine erreichen, sprechen dieselbe Sprache: es ist einfach unsinnig!

Wieder einmal wird mir bewußt, wie gut es mir geht! Ich darf mich frei bewegen, manchmal eine FFP-2-Maske tragen (Corona ist noch nicht vorbei!), kann mit dem Rad fahren und - Tusch! - Eis essen!

Ich leiste mir ein Spaghetti-Eis mit Espresso, der Klassiker auf meinen Touren😀😁

Traditionspflege!

Mittlerweile hat auch die Gaststätte ihre Türen geöffnet. Ich werde freundlich empfangen, mein Rädchen kann ich in der Garage sicher abstellen. Leider bekomme ich ein Zimmer im Stil der 70er Jahre zur viel befahrenen Strasse. Immerhin gibt es ein richtiges Badezimmer! Dafür funktioniert das WLAN nicht, es findet gerade ein Anbieter-Wechsel statt, der Techniker arbeitet an dem Problem... Warum wird ein Flachbild-TV zur Verfügung gestellt, wenn die Senderliste fehlt? Oder die Fernbedienung nicht funktioniert? Jeden Abend hatte ich ein anderes Erlebnis mit diesem Medium😟

In der Gaststätte bekomme ich ein Spargelcremesüppchen, welches mir gut schmeckt und dazu das obligatorische Bierchen zum Feierabend. 

Heute waren es "nur" etwas mehr als 50km - ich bin erschöpft und schlafe bald ein.

Dienstag, 5. Juli 2022

Schwarzbuch Pflege

Der ein oder andere hat vielleicht schon mal mitbekommen, dass ich über 30 Jahre als Krankenschwester gearbeitet habe. Nach dem Examen auf einer internistischen Station mit Schwerpunkt Nephrologie. Später wechselte ich das Krankenhaus und die Fachrichtung, arbeitete über 18 Jahre begeistert in der Chirurgie: Allgemein- dann Unfallchirurgie. Seit 2013 wieder internistisch, diesmal mit gastro-enterologischem Schwerpunkt. 

Die Arbeit war immer anstrengend, körperlich, geistig und seelisch herausfordernd. Mein Versuch, eine Familie zu gründen, scheiterte. Mein Nachwuchs musste früh alleine Verantwortung für sich übernehmen lernen, ein "Schlüsselkind". 

Dann kam Corona. Und die Situation auf Station verschärfte sich noch einmal. Kolleg*innen wurden Langzeitkrank, nicht unbedingt an Covid-19. Es gibt auch andere Krankheiten. Andere hörten komplett auf, weil sie in ihren Familien gebraucht wurden. Oder reduzierten ihren Stellenanteil weiter. Es fehlte Personal. Ständig wurde wieder auch im Urlaub und im Frei angerufen, es wären Dienste nicht besetzt, "kannst Du heute den Spätdienst übernehmen?" Oft habe ich abgesagt, weil ich meine Kraft selber zur Regeneration benötigte. Oft war ich selber krank und hatte gegenüber meinen Kolleg*innen ein schlechtes Gewissen, weil sie nun für mich mitarbeiten mussten. 

Ein Teufelskreis. 27 Betten auf Station, im Spätdienst 2 Menschen mit Examen. Teilweise ohne "Hilfskräfte". In Spitzenzeiten wurde unsere Etage mit 56 Betten (= zwei Stationen) zusammen gelegt, die Etage durch drei geteilt und der Spätdienst mit drei Examinierten durchgezogen. Für jeden Bereich eine examiniert Fachkraft. 

Mehr als einmal stand ich weinend vor dem Chefarzt und habe ihm erklärt, dass menschenwürdige Arbeit so nicht leistbar ist und er so nicht gepflegt werden will. "Schwester Eva, Sie wissen doch, nur ein belegtes Bett ist ein gutes Bett!" war seine Antwort. Das Entlassmanagement funktioniert nicht, viele Assistenzärzte sind der Sprache nicht mächtig, kommen frisch von einer Universität, haben keine klinische Erfahrung, sind guten Willens, benötigen Anleitung und Einarbeitung. Die Oberärzte arbeiten selber am Limit und darüber hinaus und haben für ihre Assistenzärzte nicht die notwendige Zeit - es ist learning by doing. 

Als Folge werden Patienten erst nachmittags entlassen. Die neuen Patienten warten teilweise schon seit dem frühen Morgen auf ein Bett, werden notfalls im Bett in ein Zimmer zu gestellt, haben keine Klingel. Die Mitpatienten werden gebeten, im Notfall zu melden... Also werden Patienten auch nachmittags entlassen und aufgenommen, Bettplätze aufbereitet, Dokumentation fertig gestellt, Medikamente gerichtet und verabreicht, Mahlzeiten verteilt und das benutzte Geschirr wieder eingesammelt...

Patienten, die mit Verdacht auf Covid kommen, werden zunächst auf Station isoliert aufgenommen, bis das Abstrichergebnis vom Labor da ist. Kann 24h dauern. Genauso werden Patienten mit Verdacht auf ansteckende Erkrankungen (z. B. Noro-Virus, MRSA-Befall, etc.) auf Station isoliert. Bedeutet für die Pflegefachperson: jedesmal neue Schutzkleidung anlegen, je nach Erfordernissen mehr oder weniger umfangreich. Die Bilder können in den Internet-Suchmaschinen gefunden werden.

Wenn Patienten in diesen Zimmern klingeln, muss ich meine Arbeit liegen lassen, die Schutzkleidung anziehen, in das Zimmer hinein gehen, z. B. dem Patienten auf den WC-Stuhl helfen. Die Schutzkleidung im Zimmer ausziehen, desinfizieren, das Zimmer verlassen. Wenn der Patient fertig ist und sich meldet, heißt es wieder Schutzkleidung anziehen, in das Zimmer gehen, Patienten ggf. bei der Intimtoilette behilflich sein und auf Wunsch ins Bett helfen. Diese Transfers sind je nach Situation körperlich eine Herausforderung. Wieder Schutzkleidung ausziehen, desinfizieren, das Zimmer verlassen, dabei z. B. die Fäkalien mitnehmen und im Pflegearbeitsraum entsorgen. 

Es dauert einfach. Bei jedem Klingeln hoffe ich, dass der Patient nicht gestürzt ist... 

Während der Pandemie musst ich erleben das Patienten, die im Sterbeprozess waren, nicht begleitet werden konnten, sie starben alleine. Eine Patientin holte ich von der Untersuchung ab, sie sprach noch mit mir, Als ich Stunden später in das Zimmer kam (ich habe es vorher nicht geschafft), war sie verstorben. Scheinbar bedingt durch die während der Untersuchung applizierten Sedativa war es zu einem Krampfanfall gekommen. Hätte ich oder jemand anderes früher in das Zimmer gehen können, wäre eine adäquate Betreuung unter Umständen möglich gewesen. 

Ich vergesse auch nicht die Dienste, in denen ich mit 18 Patienten alleine war. Da ist keine Rede von Pflege, es wird nur noch gerannt. Meine jahrelange Erfahrung kennt die Abläufe und diese Routine lässt mich die Dienste überleben. Ich kann nicht auf Bedürfnisse - berechtigt oder nicht - eingehen. Wenn von diesen 18 Patienten drei Menschen intensive Pflege benötigen, können bei 15 Patienten nur noch essentielle Handlungen durchgeführt werden (z. B. Gabe von i.v. Medikamenten, BZ-Messungen und Insulin-Gabe). Drei Menschen benötigen meine Unterstützung. Sie können nicht alleine essen und bekommen sowohl Getränke als auch das Essen angereicht. Dazu müssen sie positioniert werden. Der nächste Positionswechsel erfolgt, weil sie kein WC benutzen können und deshalb Inkontinenzhosen tragen. Es sind Menschen, aber meine Kraft und Technik reicht trotz Kinästhetik und Gleitmatten nicht wirklich, um eine menschenwürdige Versorgung sicher zu stellen. Weil keiner zum Helfen da ist. Als Folge liegen sie teilweise länger als gut ist in ihren Ausscheidungen. Das wiederum hat Folgen für den Hautzustand, es entstehen Dekubiti... Leute, ich kann so nicht arbeiten!

Hinzu kommen Patienten, die sich für Kunden halten. Schließlich bezahlen sie mein Gehalt! Der Ton ist in den letzten Jahren fordernder, teilweise aggressiver geworden, "jetzt", "sofort", "Bringen Sie" - normale Umgangsformen scheinen unbekannter zu werden. Damit meine ich "Bitte" und "Danke", "Guten Tag" - nicht dieses scheinheilige Klatschen, den Alibi-Lavendel (hatten wir nicht, es gab eine gesponserte Dose Nivea-Creme)...

Wie oft saß ich nach den Diensten erschöpft im Auto und weinte, weil ich Menschen nicht die notwendige Hilfe zukommen lassen konnte. Hilfe und Unterstützung, nicht vorhandene Fähigkeiten substituieren - das ist eigentlich meine Arbeit! Ständig dieses schlechte Gewissen! 

Immer in der Gewissheit, dass ich zwar das mir menschenmögliche getan habe, aber vieles dabei auf der Strecke geblieben ist. Wie dankbar war ich, wenn ich in einem Dienst keine weiteren Notfälle hatte - jeder bekam genug Sauerstoff, keiner musste reanimiert werden, bei Schichtende lebten die Menschen noch...

"Schwester Eva, Sie mit Ihrer Erfahrung schaffen das!" Ja, toll, ich bin nicht Superwoman. Der Herrgott hat mir zwei Hände gegeben, zwei Füße - keine Flügel. Standardausführung. Über diese Zustände bin ich krank geworden. Und kann derzeit meinen Beruf nicht ausüben. Unter diesen Umständen will ich ihn auch nicht ausüben. 

#pflegteuchdochalleine

P.S.: Selbstverständlich schrieb ich Qualitätsanzeigen. Täglich. 















xxx

Montag, 4. Juli 2022

Emsradweg - der zweite Tag

Gestern nach einer Fahrt im Sonnenschein zwischen Rietberg und Wiedenbrück in einer Pension untergekommen und gut geschlafen. Nun will ich frühstücken! Pünktlich mit meiner Abreise öffnet der Himmel seine Schleusen - es regnet und ich packe meine Regenkleidung aus...

Die Pensionswirtin beschrieb mir den Weg zu einem Cafe in Wiedenbrück. Unterwegs ist der Fahrradweg gesperrt, eine Umleitung ist nicht ausgeschildert. Im Industriegebiet in Lintel finde ich eine Bäckerei, in der ich ein tolles Frühstück bekomme! Die freundliche Bäckereifachverkäuferin bietet mir an, ich könne bis zum Regen-Ende bleiben!

Frühstück!
Ich will weiter. Die Umleitung auf dem Radweg irritiert mich total, planlos irre ich durch die Gegend. 14km später und nach zahllosen Fragen an die Einheimischen finde ich endlich den Weg wieder!

Irgendwo im Nirgendwo
Keine Lust!
Zumindest weiß ich, dass mein Equipment wasserfest ist!
Franziskanerkloster in Wiedenbrück
Bei meiner Irrfahrt radelte ich einige Male durch Wiedenbrück und bewundere das Häuser-Ensemble!
Wiedenbrück
ein altes Mühlenrad in Rheda
Die Ems
Die Ausschilderung in Rheda-Wiedenbrück aus der Innenstadt heraus finde ich verbesserungswürdig!

Der Regen hört auf, ich finde den Emsradweg und radele kilometerweit - quasi meditativ - vor mich hin😀.

Kanalisierter Fluss

Zwischendurch halte ich zum Fotografieren an. 

Die Spargel-Ernte ist hier vorbei
Alte Schleuse in der Nähe von Gütersloh

Immer wieder radele ich an renaturierten Teilbereichen der Ems vorbei, ich finde es spannend, wie die Ergebnisse eine Landschaft nachhaltig prägen!

Im Radführer steht, ich solle unbedingt im Klostercafe in Marienfeld Pause machen. Da es Mittagszeit ist, hört sich das nach einem richtig guten Plan an - leider stehe ich vor verschlossenen Türen und kann die zum Hotel ausgebauten Klostergebäude von außen betrachten.

Kloster Marienfeld
 Beeindruckend groß und prächtig, die Blutbuche im Klosterhof:

Fahrrad vor Blutbuche
Vor Harsewinkel passiere ich eine kleine Kapelle, die laut Inschrift 1703 erbaut wurde.
Kapelle am Wegesrand

Auf meinem Weg durch Harsewinkel kann ich die Ausmasse der Firma Claas bewundern. Für Anhänger der Landmaschinentechnologie sicherlich ein Mekka. Im Technopark können die neuesten Entwicklungen bestaunt werden - seit der Gründung 1919 hat sich Einiges in der Welt der Landmaschinen geändert!

renaturiertes Wehr der Ems

Hinter Harsewinkel komme ich an Zaunpfosten vorbei. In regelmässigen Abständen stehen sie kilometerlang entlang des Weges. Auf jedem Pfosten eine Plakette mit der Aufschrift "Landgrenze", darunter in Fraktur-Schrift "Josef Besselmann". Meine kurze Recherche bei Google ergibt, dass es nicht wirklich ein sympathischer Zeitgenosse zu sein scheint, der hier seinen Landbesitz öffentlich dokumentiert! Eher der Typ "best Buddy" von Clemens Tönnies aus Rheda-Wiedenbrück, derjenige, der für das System mittels Werkverträgen die billigen Arbeitskräfte heran schafft.

Pfosten in der Landschaft
Spargelstecher
Ich bin in der Nähe von Sassenberg, einem Zentrum des hiesigen Spargel-Anbaus. Ob auch die ausländisch sprechenden Männer auf dem Spargelfeld von solchen Firmen angeworben wurden? Ich habe die leise Hoffnung, dass bei einem Bio-Bauern (steht auf dem Schild an der Strasse) bessere Arbeitsbedingungen herrschen!
Pausenplätzchen!

Mehrfach komme ich an diesen netten Schutzhütten vorbei - es lässt sich dort hervorragend Pause machen! 

Die Ems wird breiter, fließt weiter kanalisiert

Immer wieder radele ich entlang und über die Ems. Bei allen Bemühungen, den Fluss natürlich zu gestalten, sind deutlich Grenzen erkennbar. 

In Warendorf will ich Pause machen, bis dorthin ist es nicht mehr weit!

Knotenpunkte weisen den Weg

Kurz vor Warendorf begegne ich einem Päarchen, die ich schon an der Ems-Quelle gesehen hatte. Dort wechselten wir einige Worte, auch sie beradeln den Emsradweg mit E-Bikes, wollen bis Lingen. Wir tauschen unsere Erfahrungen aus, sie wollen in Warendorf übernachten. Ich erzähle von meiner morgendlichen Odysee, wir lachen gemeinsam, bevor sich unsere Wege trennen.

Warendorf

Die "Stadt der Pferde" lädt bei Sonnenschein zu einer ausgiebigen Pause mit dem Klassiker (Spaghetti-Eis, Espresso) ein. 

Pausenzeit
Der Markplatz ist einladend, ringsherum stehen die mittelalterlichen Häuser - reichlich Augenfutter!

Knotenpunkt Nr. 1
Überall sehe ich auf meinem Weg durch die Stadt Hinweise auf das Gestüt des Landes NRW. Auch das Olympia-Komitee der Reiter hat hier sein zu Hause. Fahrrad fährt hier anscheinend jeder, der nicht auf einem Pferd sitzt... Die Infrastruktur ist für Radfahrer gut ausgebaut!

Noch knapp 20km nach Telgte, meinem heutigen Ziel. Dort habe ich ein Hotelzimmer gebucht. Zunächst führt mein Weg vorbei am Kottrup-See. Durch Zeit-Tore gelange ich zu dem Aussichtsturm.

Vier Epochen der Menschheits- und Naturgeschichte wurden in der Gegend gefunden. In Abraumhalden der Hartsteinwerke wurden Knochen und Schädelteile des Neandertalers gefunden, Reste eines 14.000 Jahre alten Waldes wurden aus dem Wasser geborgen, Grabbauten und Reste von Siedlungen aus dem frühen Mittelalter (7.-9. Jh n. Ch.) runden die bisherigen Fundstücke ab.

schöne Aussicht mit aufregender Vergangenheit!

Kurz vor Telgte erwischt mich nochmals ein heftiger Regenschauer, in einem Buswartehäuschen kann ich mich geschützt unterstellen und warten...

So langsam habe ich keine Lust mehr, wurde wieder naß... Bin stolz auf meine bisherige Leistung - sieht man mir das an?
Stolz & erschöpft

Kurz vor Telgte

Lebensgroßen Figuren begegnen mir an unterschiedlichen Orten, gestern in Rietberg vor dem Rathaus, hier in Telgte mit einem Narrenhütchen auf dem Kopf ebenfalls vor dem Rathaus. Telgte ist stolz darauf, Wallfahrtsort zu sein. An Himmelfahrt findet hier eine große Prozession statt, die Vorbereitungen sind nicht zu übersehen.

Narren vor dem Rathaus

Im Hotel "Marienlinde" habe ich noch ein Zimmer bekommen. Ich erreiche es gleichzeitig mit einem radreisenden Ehepaar, beide hatten wir über Booking.com gebucht. Das Ehepaar erhält die Info, das Hotel sei überbucht - den Schlüssel zum letzten Zimmer bekam ich! Es ist ein schönes Zimmer, im Bad liegen dicke Frottee-Handtücher, es ist sauber - leider gibt es keine Möglichkeit, das Fahrrad geschützt unter zustellen. Kein Carport, kein Schuppen, einfach so stehen die Fahrräder auf dem für jedermann zugänglichen Hof... Ich äußerte bei dem Hotelbesitzer meine Bedenken. Nein, ich bräuchte keine Angst zu haben, in 30 Jahren sei noch kein Fahrrad gestohlen worden und es würde die Nacht nicht regnen... Knurrig meinte er, er würde sich kümmern. Das Ergebnis:

Kann als Kunst ausgestellt werden!

Er stülpte einen Plastiksack über den Lenker und verteilte großzügig Plastiktüten und Pappkartondeckel über die Steckkontakte vom Akku. Für den morgigen Tag beschließe ich, bis Emsdetten zu radeln und buche eine Unterkunft. Heute bin ich ca. 80km geradelt - zum Abschluss leiste ich mir mir einen Restaurant-Besuch mit  Jägerschnitzel (!)  und Pommes, dazu ein Pils - satt und müde falle ich in das Bett!