Montag, 4. Juli 2022

Emsradweg - der zweite Tag

Gestern nach einer Fahrt im Sonnenschein zwischen Rietberg und Wiedenbrück in einer Pension untergekommen und gut geschlafen. Nun will ich frühstücken! Pünktlich mit meiner Abreise öffnet der Himmel seine Schleusen - es regnet und ich packe meine Regenkleidung aus...

Die Pensionswirtin beschrieb mir den Weg zu einem Cafe in Wiedenbrück. Unterwegs ist der Fahrradweg gesperrt, eine Umleitung ist nicht ausgeschildert. Im Industriegebiet in Lintel finde ich eine Bäckerei, in der ich ein tolles Frühstück bekomme! Die freundliche Bäckereifachverkäuferin bietet mir an, ich könne bis zum Regen-Ende bleiben!

Frühstück!
Ich will weiter. Die Umleitung auf dem Radweg irritiert mich total, planlos irre ich durch die Gegend. 14km später und nach zahllosen Fragen an die Einheimischen finde ich endlich den Weg wieder!

Irgendwo im Nirgendwo
Keine Lust!
Zumindest weiß ich, dass mein Equipment wasserfest ist!
Franziskanerkloster in Wiedenbrück
Bei meiner Irrfahrt radelte ich einige Male durch Wiedenbrück und bewundere das Häuser-Ensemble!
Wiedenbrück
ein altes Mühlenrad in Rheda
Die Ems
Die Ausschilderung in Rheda-Wiedenbrück aus der Innenstadt heraus finde ich verbesserungswürdig!

Der Regen hört auf, ich finde den Emsradweg und radele kilometerweit - quasi meditativ - vor mich hin😀.

Kanalisierter Fluss

Zwischendurch halte ich zum Fotografieren an. 

Die Spargel-Ernte ist hier vorbei
Alte Schleuse in der Nähe von Gütersloh

Immer wieder radele ich an renaturierten Teilbereichen der Ems vorbei, ich finde es spannend, wie die Ergebnisse eine Landschaft nachhaltig prägen!

Im Radführer steht, ich solle unbedingt im Klostercafe in Marienfeld Pause machen. Da es Mittagszeit ist, hört sich das nach einem richtig guten Plan an - leider stehe ich vor verschlossenen Türen und kann die zum Hotel ausgebauten Klostergebäude von außen betrachten.

Kloster Marienfeld
 Beeindruckend groß und prächtig, die Blutbuche im Klosterhof:

Fahrrad vor Blutbuche
Vor Harsewinkel passiere ich eine kleine Kapelle, die laut Inschrift 1703 erbaut wurde.
Kapelle am Wegesrand

Auf meinem Weg durch Harsewinkel kann ich die Ausmasse der Firma Claas bewundern. Für Anhänger der Landmaschinentechnologie sicherlich ein Mekka. Im Technopark können die neuesten Entwicklungen bestaunt werden - seit der Gründung 1919 hat sich Einiges in der Welt der Landmaschinen geändert!

renaturiertes Wehr der Ems

Hinter Harsewinkel komme ich an Zaunpfosten vorbei. In regelmässigen Abständen stehen sie kilometerlang entlang des Weges. Auf jedem Pfosten eine Plakette mit der Aufschrift "Landgrenze", darunter in Fraktur-Schrift "Josef Besselmann". Meine kurze Recherche bei Google ergibt, dass es nicht wirklich ein sympathischer Zeitgenosse zu sein scheint, der hier seinen Landbesitz öffentlich dokumentiert! Eher der Typ "best Buddy" von Clemens Tönnies aus Rheda-Wiedenbrück, derjenige, der für das System mittels Werkverträgen die billigen Arbeitskräfte heran schafft.

Pfosten in der Landschaft
Spargelstecher
Ich bin in der Nähe von Sassenberg, einem Zentrum des hiesigen Spargel-Anbaus. Ob auch die ausländisch sprechenden Männer auf dem Spargelfeld von solchen Firmen angeworben wurden? Ich habe die leise Hoffnung, dass bei einem Bio-Bauern (steht auf dem Schild an der Strasse) bessere Arbeitsbedingungen herrschen!
Pausenplätzchen!

Mehrfach komme ich an diesen netten Schutzhütten vorbei - es lässt sich dort hervorragend Pause machen! 

Die Ems wird breiter, fließt weiter kanalisiert

Immer wieder radele ich entlang und über die Ems. Bei allen Bemühungen, den Fluss natürlich zu gestalten, sind deutlich Grenzen erkennbar. 

In Warendorf will ich Pause machen, bis dorthin ist es nicht mehr weit!

Knotenpunkte weisen den Weg

Kurz vor Warendorf begegne ich einem Päarchen, die ich schon an der Ems-Quelle gesehen hatte. Dort wechselten wir einige Worte, auch sie beradeln den Emsradweg mit E-Bikes, wollen bis Lingen. Wir tauschen unsere Erfahrungen aus, sie wollen in Warendorf übernachten. Ich erzähle von meiner morgendlichen Odysee, wir lachen gemeinsam, bevor sich unsere Wege trennen.

Warendorf

Die "Stadt der Pferde" lädt bei Sonnenschein zu einer ausgiebigen Pause mit dem Klassiker (Spaghetti-Eis, Espresso) ein. 

Pausenzeit
Der Markplatz ist einladend, ringsherum stehen die mittelalterlichen Häuser - reichlich Augenfutter!

Knotenpunkt Nr. 1
Überall sehe ich auf meinem Weg durch die Stadt Hinweise auf das Gestüt des Landes NRW. Auch das Olympia-Komitee der Reiter hat hier sein zu Hause. Fahrrad fährt hier anscheinend jeder, der nicht auf einem Pferd sitzt... Die Infrastruktur ist für Radfahrer gut ausgebaut!

Noch knapp 20km nach Telgte, meinem heutigen Ziel. Dort habe ich ein Hotelzimmer gebucht. Zunächst führt mein Weg vorbei am Kottrup-See. Durch Zeit-Tore gelange ich zu dem Aussichtsturm.

Vier Epochen der Menschheits- und Naturgeschichte wurden in der Gegend gefunden. In Abraumhalden der Hartsteinwerke wurden Knochen und Schädelteile des Neandertalers gefunden, Reste eines 14.000 Jahre alten Waldes wurden aus dem Wasser geborgen, Grabbauten und Reste von Siedlungen aus dem frühen Mittelalter (7.-9. Jh n. Ch.) runden die bisherigen Fundstücke ab.

schöne Aussicht mit aufregender Vergangenheit!

Kurz vor Telgte erwischt mich nochmals ein heftiger Regenschauer, in einem Buswartehäuschen kann ich mich geschützt unterstellen und warten...

So langsam habe ich keine Lust mehr, wurde wieder naß... Bin stolz auf meine bisherige Leistung - sieht man mir das an?
Stolz & erschöpft

Kurz vor Telgte

Lebensgroßen Figuren begegnen mir an unterschiedlichen Orten, gestern in Rietberg vor dem Rathaus, hier in Telgte mit einem Narrenhütchen auf dem Kopf ebenfalls vor dem Rathaus. Telgte ist stolz darauf, Wallfahrtsort zu sein. An Himmelfahrt findet hier eine große Prozession statt, die Vorbereitungen sind nicht zu übersehen.

Narren vor dem Rathaus

Im Hotel "Marienlinde" habe ich noch ein Zimmer bekommen. Ich erreiche es gleichzeitig mit einem radreisenden Ehepaar, beide hatten wir über Booking.com gebucht. Das Ehepaar erhält die Info, das Hotel sei überbucht - den Schlüssel zum letzten Zimmer bekam ich! Es ist ein schönes Zimmer, im Bad liegen dicke Frottee-Handtücher, es ist sauber - leider gibt es keine Möglichkeit, das Fahrrad geschützt unter zustellen. Kein Carport, kein Schuppen, einfach so stehen die Fahrräder auf dem für jedermann zugänglichen Hof... Ich äußerte bei dem Hotelbesitzer meine Bedenken. Nein, ich bräuchte keine Angst zu haben, in 30 Jahren sei noch kein Fahrrad gestohlen worden und es würde die Nacht nicht regnen... Knurrig meinte er, er würde sich kümmern. Das Ergebnis:

Kann als Kunst ausgestellt werden!

Er stülpte einen Plastiksack über den Lenker und verteilte großzügig Plastiktüten und Pappkartondeckel über die Steckkontakte vom Akku. Für den morgigen Tag beschließe ich, bis Emsdetten zu radeln und buche eine Unterkunft. Heute bin ich ca. 80km geradelt - zum Abschluss leiste ich mir mir einen Restaurant-Besuch mit  Jägerschnitzel (!)  und Pommes, dazu ein Pils - satt und müde falle ich in das Bett!

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