Sonntag, 7. August 2022

Emsradweg - 6. Tag

Tief und fest geschlafen! Der Tag gestern hat mich gegen Ende ziemlich gestresst. Trotz Buchung kein Hotelzimmer zu bekommen! Noch gestern abend habe ich bei Airbnb online reklamiert. Ich bin gespannt, wie es weiter geht!

Das Hotel "Alte Werft" in Papenburg hat eine Geschichte, die bis 1795 reicht. Damals kaufte der Firmengründer Willm Rolf Meyer das Gelände. 1974 wurde mit dem Umzug auf die neue Werft begonnen. 1986 erwarb die Stadt Papenburg das Gelände und errichtete ein Kulturzentrum. 1995 wurde mit dem Bau des Hotels begonnen. Die Geschichte des Hauses begegnet mir egal wo mein Auge hinfällt! In den Treppenhäusern hängen Bilder der (Kreuzfahrt-)Schiffe, die in der Meyerschen Werft gebaut wurden. Überall gibt es Relikte, die auf die Ursprünge verweisen. 

Blick aus meinem Zimmer auf den alten Hauptkanal
Decke mit altem Lastkran im Restaurant "Schnürboden"
Alte Maschinen stehen dort, Hinweisschilder erklären ihre einstige Funktion. Aber mir ist jetzt erst einmal nach Kaffee und ich gehe zum Frühstücksbuffet. Und bin von der Auswahl erschlagen!

Frühstück
Von Allem ist etwas da - süss, herzhaft, deftig, vegetarisch, vegan, Wurst, Käse, Aufschnitt, Fisch, Salate, Müslis, Brot, Brötchen, frisches Obst, Milch, Milchprodukte (und Milchalternativen) - Variationen jeglicher Art. Den ganzen Tag hätte ich dort allein mit dem Frühstück verbringen können! 
Haupteingang des Hotels
Nach dem ausgiebigen Frühstück packe ich meine Sachen zusammen und gehe durch Papenburg spazieren.
Am Hauptkanal
Auf dem alten Werftgelände
Der Hauptkanal zieht sich durch die Innenstadt von Papenburg, rechts und links gibt es Geschäfte für den täglichen Bedarf.
Immer wieder sehe ich alte Schiffe auf dem Hauptkanal.
Einer von sieben Nachbauten alter Schiffstypen
Meyers Mühle
Friederike von Papenburg
Das Museumschiff "Friederike von Papenburg" wird restauriert, nachdem sie im vergangenen Jahr vorsätzlich in Brand gesteckt worden war. Das Schiff liegt beim Rathaus, gegenüber ist die Kirche St. Antonius.
St. Antonius von Padua
Vor der Kirche ist ein Brunnen, der an St. Antonius erinnert. Da gerade wieder ein Schauer herunter kommt, besichtige ich die Kirche und entzünde die obligatorischen Kerzen, geniesse die Stille.
Altarraum St. Antonius
Nun will ich meine Tour fortsetzen! Mein nächstes Ziel heißt Leer, bis dorthin sollen es 26km sein. Dort habe ich ein Zimmer bekommen - und direkt für zwei Tage gebucht! Wie ich mittlerweile erfuhr, feiert Emden am Wochenende Matjestage. Auch deshalb gibt es dort keine Zimmer mehr! High life in allen Gassen, mit Matjeslauf und Kirmes...
Papenburger Sielkanal
Nun heißt es zunächst die Ems zu finden. Kilometer weit erstreckt sich das Gelände, durch das der Radweg führt. Über Siele, durch Industriegelände führt der Weg.
Irgendwann bin ich an der Seeschleuse und beobachte, wie ein Schiff geschleust wird. Schmutzig braun ist das Wasser.
Seeschleuse
Die Meyer-Werft in Papenburg ist ein klein wenig länger als üblich. Kein Wunder, bei den Riesenschiffen, die dort hergestellt werden! Beeindruckend!
Blick auf die Werft
Allein die "Eclipse", gebaut 2010, ist über 300m lang, hat Platz für 3150 Passagiere und hat 122.000 Bruttoregistertonnen - Daten, die am "Kreuzfahrtweg" zu lesen sind. Das ist ein Weg, der von Papenburg bis zur Mündung nach Emden immer wieder die Silhouette von Schiffen mit den Daten zeigt. So kann auch ich das nachlesen 😁
Auf dem Kreuzfahrt-Weg
Agathe?
Ab jetzt fallen mir vermehrt die vierbeinigen Deichwächter auf. Auch passiere ich verschiedene Schöpfwerke, die noch in Funktion sind.
Schöpfwerk Stapelmoor
Die zerstörte Friesenbrücke
2015 machte ein Unglück Schlagzeilen: ein Frachter rammte die Klappbrücke bei Wehner. Dadurch wurde sie so zerstört, dass sie mittlerweile abgebrochen wurde und neu gebaut werden soll. 2024 soll sie fertig sein. Wenn ich mir das Foto ansehe, habe ich Zweifel...
"Indiana Jones"
Während ich mir den Standort der früheren Brücke ansehe, fällt mein Auge auf ein Schiff, was gemächlich über die Ems geschippert kommt. Es ist die "Indiana Jones", der ich beim Schleusen zugucken konnte. Noch einige Male werde ich ihr bis Leer begegnen - mal ist sie schneller, mal kann ich überholen😉
Das älteste Haus in Weener
Weener erreiche ich zur Mittagszeit, die Strassen der Altstadt sind wie leer gefegt!
Denkmal für die "Torfwieven"
Seit 1853 gab es die "Torfwieven" in Weener. Bis in die 1950er wurde von den Frauen in harter Arbeit der Torf auf Pferdefuhrwerke geladen. Junge und alte Weiber arbeiteten zusammen, ihnen zu Ehren wurde am alten Hafen in Weener das Denkmal errichtet.
Der alte Hafen Weener
Das alte Packhaus
Das alte Packhaus wurde 1860 erbaut, es beinhaltete seit 1950 einen Getreidesilo. Es war das höchste Gebäude im Rheiderland und wurde bis Anfang der 1980er Jahre von der Raiffeisenbezugs- und Absatzgenossenschaft betrieben.
Die "Björn" stammt aus Köln-Mülheim

Bei der Schutzschleuse in Weener warte ich den nächsten Schauer ab - heute ist es sehr windig, strahlend blauer Himmel mit wechselt mit dunklen Regenwolken. Am Ortseingang von Jever empfängt mich eine Fahrrad-Skulptur und ich werfe einen Blick durch den Rahmen auf die Jann-Berghaus-Brücke.

Fahrrad-Skulptur
Jann-Berghaus-Brücke

Die Jann-Berghaus-Brücke ist eine der größten Klappbrücken über die Ems. Ich bin froh, dass nicht ausgerechnet während meiner Überfahrt eine Klappe hochgeht! 

Es ist gerade Mittag vorbei, als ich im Hotel ankomme und auch einchecken kann. Unterwegs habe ich auf einem Schild gesehen, dass es gerade mal 20km bis nach Ditzum sind. Ditzum liegt quasi gegenüber von Emden und ich beschliesse, diese kurze Strecke heute noch zu radeln. 

Pfft, 20km - das schaffe ich doch auf einer Gesäßhälfte! Das Gepäck lasse ich im Hotel und schwinge mich fröhlich wieder auf das Rad.

Der Weg bei Jegum
Tja, was soll ich schreiben? Es wird noch windiger. Gegenwind. Jede Menge. In Jegum erwischt mich wieder ein Regenschauer, auf einem Campingplatz kann ich zusammen mit anderen Radlern warten, bis es wieder aufhört.
Aber der Ergeiz hat mich gepackt! Außerdem habe ich Sehnsucht nach einem Kaffee oder einem Eisbecher oder Kuchen oder einfach einer erholsamen Pause. So kämpfe ich weiter gegen den Wind und erreiche endlich Ditzum!
Ditzum
Denkmal für die Frauen im Dollard und ihre harte Arbeit

Tatsächlich gibt es hier ein Café, in dem ich mich mit Kaffee und einer Friesenwaffel stärken kann! Zu der (belgischen) Waffel gibt es Pflaumenmus, Vanilleeis und Sahne - lecker!

So erholt begebe ich mich zum Hafen, um mit der Fähre die Ems zu überqueren. Glück gehabt: ich erwische die letzte Fähre an diesem Tag! Als ich mir die Mitreisenden ansehe, erkenne ich die beiden Pärchen von vor zwei Tagen wieder und spreche sie an. Großes Gelächter, sie hätten sich schon Gedanken um mich gemacht, ob und wie weit ich wohl gekommen wäre😊

Fähre über die Ems
Von den mitreisenden Einheimischen erfahren wir, dass der heutige Gegenwind als stürmisch bezeichnet wird - mein Stolz wächst!
Hafen Ditzum
Überfahrt

Auch auf der Fähre ist es stürmisch, der Wind peitscht die Gischt in unsere Gesichter. Trotzdem erkennen wir das Emssperrwerk. Sagenhaft, was aus dem kleinen Bächlein aus Hövelhof wurde!

Ems-Sperrwerk am Horizont
Wir erreichen den Hafen von Petkum, hier trennen sich unsere Wege.
Hafen Petkum

Ich will jetzt und heute mein Ziel erreichen und radele weiter gegen den Wind. Die Beschilderung ist zwischendurch lückenhaft, im Zweifel radele ich geradeaus weiter. Dadurch schlage ich einen großen Bogen und bleibe in Flussnähe, radele durch Naturschutzgebiet -

Gleich ist Feierabend!
Wo ist das Ende?
und endlich! Ich finde das Ende des Emsradweges!
Der Schlusspunkt des Emsradweges
Ein klein wenig enttäuscht bin ich. Eine einsame Bank steht dort schutzlos und ungemütlich - im Gegensatz zu meinem Start ist das Ende sehr schmucklos. Jo, da hat man eben ein paar Steine in der Erde verbuddelt, damit das Ganze einen offiziellen Punkt hat, eine Tafel wurde noch aufgestellt - einladend wirkt der Ort nicht!
Mein Rädchen
Ich bin auf alle Fälle stolz!
geschafft!
Die nächste Herausforderung: den Bahnhof finden! Es gibt freundliche Menschen, die mir den Weg weisen können.
Aussenhafen Emden
Unterwegs sehe ich Emder, die vom Matjesfest kommen - der Weg nach Hause ist nicht besonders weit, dafür umso breiter! Ich bin froh, als ich im Zug nach Leer bin! Auf dem Akku meines Rädchens ist gerade noch ein Balken Ladung...

Heute bin ich über 71km geradelt, an der Gesamtstrecke fehlen mir die Kilometer von Meppen bis Papenburg (ca. 50km). Insgesamt bin ich in den sechs Tagen über 360km geradelt, da verzichte ich auf die Fehlenden!

Morgen bleibe ich in Leer und berichte von dort. Bis dahin - bleibt gesund!

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